Antibakterielle Oberflächen

Frau Prof. Dr. Cornelia Lass-Flörl ist Direktorin des Departments für Hygiene und medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Im Artikel und anschließenden Interview erklärt sie uns die antibakteriellen/antimikrobiellen Eigenschaften von Holz bzw. Oberflächen.

Gesundheitsschädigende Bakterien/Pilze für den Menschen

Mikroben sind Kleinstlebewesen (Bakterien, Pilze, Viren, Protozoen (Einzeller wie Amöben) sowie Helmithen (Würmer)), die wir mit freiem Auge nicht sehen können. Bakterien und Pilze besiedeln natürlicherweise den Menschen. So finden wir regelmäßig im Verdauungstrakt, auf der Haut, im Respirationstrakt (Atemtrakt) und Urogenitaltrakt (Harn- und Geschlechtsapparat) Bakterien. Auf jede Zelle unseres Körpers kommen ca. zehn Bakterien. Diese Mikroflora oder physiologische Flora (Normalflora) setzt sich überwiegend aus apathogenen (dienen der Gesundheit) und zu einem geringen Anteil aus fakultativ pathogenen Bakterien (Krankheitserregern) zusammen. Fakultativ pathogene Bakterien verursachen Infektionen meist nur dann, wenn das Immunsystem beeinträchtigt ist, z.B. durch Verletzungen der Haut oder operative Eingriffe. Diese Gruppe umfasst die häufigsten Erreger ambulant und im Krankenhaus erworbener Infektionen (z.B. Staphylococcus aureus).
Obligat pathogene Erreger verursachen in der Regel Infektionen beim gesunden Menschen. Hierzu zählen die klassischen Seuchen wie Typhus, Pest und Ebola.
Der größte Teil der nützlichen Bakterien bewohnt den Dickdarm, der Rest besiedelt den Dünndarm, die Haut, die Mundhöhle, den Rachen und die Scheide. Damit die Mikrobiota (Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Bereich) ihren Aufgaben gerecht werden kann, müssen nützliche Bakterien in ausreichender und konstanter Zahl im Milieu vorhanden sein.
Von einer Infektion spricht man dann, wenn sich Mikroben in sterilen Körperbereichen ansiedeln und sich vermehren bzw. aufgrund einer lokalen Vermehrung Organschäden in besiedelten Körperbereichen verursachen.

Keim-frei?

Reines Holz – Holzarten und deren keimreduzierende Eigenschaften

Es ist zunächst festzuhalten, dass das Überleben von Bakterien abhängig ist von der Holzart, der Holzfeuchte, der Bakteriendichte, der Spezies und der Umgebungs- Inkubationstemperatur.
Laut Literatur weisen Zirben- und Fichtenholz eine antibakterielle Wirksamkeit auf. Weniger wirksam sind hingegen Ahorn, Buche und Pappelhölzer. Die antibakterielle Wirksamkeit dieser Hölzer wurde mittels Abklatsch-Methode untersucht. Hier wird eine definierte Menge eines Bakterienstammes (Escherichia coli K12) auf Holzschnittflächen aufgebracht, unter feuchten und trockenen Bedingungen inkubiert und die Anzahl der re-kultivierbaren Bakterien gezählt. Die Menge der überlebenden Einheiten gilt als Maß für die antibakterielle Wirkung.
Eine Dissertation von Denise Fürst² zum Thema Holz zeigte eine eindeutige antimikrobielle Wirkung von Kernholz der gemeinen Kiefer (Hygieneholz) und der Eiche. Hier muss man jedoch beachten, dass die Wirksamkeit auf verschiedene Bakterien unterschiedlich ist. Die Reduktion von Escherichia Coli (gramnegativ) war auf allen Hölzern am deutlichsten. Hospitalkeime wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycin-resistenter Enterococcus) zeigten eine wesentlich längere und bessere Überlebenszeit, was an den höheren Keimzahlen zu erkennen war. Die geringste Wirksamkeit war bei Mykobakterien (z.B. TBC, Lepra) und Pilzen zu finden.

² 2007: Vergleichende Untersuchung der antimikrobiellen Wirksamkeit von sieben verschiedenen Hölzern, erarbeitet an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Inhaltsstoffe von Hölzern

Die Ursachen für die antimikrobielle Wirkung sind bis jetzt noch nicht vollständig bekannt. Einige Studien belegen, dass hauptsächlich Polyphenole (Tannine), die zur Gruppe der sekundären Extraktstoffe gehören, dafür verantwortlich sind. Andere Autoren diskutieren, dass poröse und hygroskope Materialien den Bakterien das Wasser für die Vermehrung entziehen.

Antibakterielle Oberflächen – was steckt dahinter?

Können Sie uns kurz den Unterschied zwischen Bakterien und Viren bzw. antibakteriell und antimikrobiell im Allgemeinen erklären?

Bakterien sind einzellige Mikroorganismen, die sich selbst versorgen. Sie sind um ein Vielfaches größer als Viren und produzieren alles was sie zum Leben brauchen selbst.
Sie haben ihr eigenes Erbgut und einen eigenen Stoffwechsel. Die Vermehrung erfolgt durch einfache Zellteilung. Man unterteilt die Bakterien in drei Grundformen:
Stäbchenbakterien, kugelförmige (Kokken) und schraubenförmige Bakterien (Spirillen). Als Bazillen bezeichnet man Bakterien die Sporen (widerstandsfähige Dauerformen) bilden. Bakterien unterscheiden sich durch ihre Lebensbedingungen. Einige Arten brauchen Sauerstoff zum Leben (aerobe Bakterien), andere nicht (anaerobe Bakterien). Manche stellen auch Mischformen dar. Die Bakterien ernähren sich von anorganischen (Mineralien) und organischen Stoffen (Eiweiß, Kohlenhydrate usw.) und besitzen vielfältige Enzymsysteme. Bakterien züchtet (kultiviert) man auf Nährböden, wobei jede Bakterienart spezielle Nährböden bevorzugt.
Bakterien kommen de-facto überall vor (Luft, Wasser, Lebensmittel, Mensch) und sind die ältesten Bewohner der Erde.
Viren sind relativ einfach aufgebaut und bestehen aus einem oder mehreren Molekülen mit/oder ohne Eiweißhülle. Die Moleküle enthalten das Erbgut – DNA oder RNA – mit der Information zur Vermehrung. Viren haben keine eigene Zelle und keinen eigenen Stoffwechsel. Sie sind winzig (rund 20 bis 300 Nanometer) und zeigen verschiedene Formen. Zur Vermehrung benützen Viren lebende Zellen (menschliche, tierische, pflanzliche) als „Wirtszellen“. Das Virus dockt an die Wirtszelle an und lässt die benötigten Lebensbausteine produzieren.

Inwieweit wirken sich antibakterielle Oberflächen auf die Übertragung von SarsCov2 (Covid19) aus?

SarsCov2 wird von Mensch zu Mensch übertragen. Die Fläche spielt eine untergeordnete Rolle. Die Effektivität dieser Oberflächen unter realen Bedingungen, sowie
das Ausmaß deren Effizienz im Bereich der Infektionsprävention muss anhand von klinischen Studien untersucht werden. Vorstellbar ist, dass antimikrobielle Oberflächen zur Reduktion von Reinigungs- und Flächendesinfektionsmaßnahmen führen bzw. die mikrobielle Kontamination diverser Oberflächen reduzieren.

Vor einigen Jahren haben Sie ein Projekt zu antibakteriellen Eigenschaften von Oberflächen gemacht, bei dem auch die Firma FRITZ EGGER involviert war. Können Sie uns erläutern, worum es in dieser Studie genau ging?

Das Christian Doppler Labor untersucht die vielfältigsten antimikrobiellen Oberflächen auf ihre Wirksamkeit. Im Vordergrund steht nicht die Untersuchung nach Normen, sondern der praxisnahe Test (Abklatschuntersuchungen). Antimikrobielle Oberflächen sind Materialien, die das Wachstum bzw. die Vermehrung von Mikroorganismen verhindern. Wir haben uns dabei auf die am Markt befindlichen Produkte fokussiert und untersuchen neue Produkte der Firma EGGER.

Wie ist eine antibakterielle Oberfläche aufgebaut?

Antimikrobielle Materialien werden nach dem Wirkmechanismus in „aktive“ (Wirkstoff freisetzend sowie kontaktaktive) und „passive“ Materialien eingeteilt (Abb.1).
Das Design der Oberfläche (chemisch oder strukturell) spielt eine zentrale Rolle. Passiv wirken z.B. Hydrogele oder Nanostrukturen, kontaktaktiv z.B. antimikrobielle
Peptide (organische Verbindungen) und quaternäre Metalle. Die Wirkungen sind mannigfach und führen letztendlich zu einer Zerstörung der Strukturen oder Hemmung der Weitervermehrung.

Nach welchen Kriterien erfolgt die Prüfung für antibakterielle Oberflächen in der ISO 22196?

Man unterscheidet zwischen der trockenen und feuchten Überprüfungsmethode. Als international anerkannte Standardverfahren gelten das Japanese Industrial Standard
(JIS) Z 2801:2000 Verfahren bzw. die daraus hervorgegangene ISO 22196 Methode. Da bei diesen Verfahren Mikroorganismen lange in feuchtem Milieu bei relativ hohen
Temperaturen (35°C) und hoher Luftfeuchtigkeit (~90%) getestet werden, spiegeln diese keine realen Bedingungen einer Gesundheitseinrichtung wieder. Weiter kann bei
Testungen im feuchten Milieu das antimikrobielle Agens leichter diffundieren und somit der Kontakt mit den Mikroorganismen erleichtert werden. Diese Art der  Aufbringung spiegelt jedoch nicht die Situation einer typischen Kontamination von häufig berührten Kontaktoberflächen im Krankenhaus wider. Diese Methode entspricht eher einer Kontamination wie z.B. mit Blut oder Urin vergleichbar. Auch bei der American Society for testing and Materials (ASTM) 2180 und ASTM 2149 werden die Testungen unter realitätsfernen Bedingungen durchgeführt.

 

Wie funktionieren die anderen Testmethoden?

Bei der trockenen Methode („contact-killing“, praxisnahe Untersuchung) handelt es sich um die Simulation von realen Bedingungen. Es wird eine definierte Anzahl an Bakterien in einem kleinen Volumen suspendiert und auf die gewünschten Oberflächen aufgebracht. Die Flüssigkeit verdunstet rasch, sodass die Bakterien im direkten Kontakt mit der Oberfläche stehen (z.B. bei einer Berührung der Oberfläche durch Hände). Ich halte die JIS Methode als unnatürlich und die contact- killing als praxisnahe. Daher müssten alle für das Krankenhaus zugelassenen Produkte mittels dieser Methode untersucht werden. Eine modifizierte Methode ist die sogenannte „Touch Transfer Methode“. Mit dieser Methode können antimikrobielle Oberflächen standardisiert untersucht werden. Wir haben gerade einen entsprechenden Ringversuch in Innsbruck zu dieser Thematik laufen.

Gibt es auch eine (internationale) Prüfung für unbehandelte (rohe) Holzoberflächen?

Unbehandelte Oberflächen müssen immer als Kontrolle mitgeliefert werden. Der Vergleich der Wirksamkeit wird zwischen der „antimikrobiellen und nicht behandelten Fläche „gezogen.

Welche klimatischen Bedingungen sollten gegeben sein um Keimen und Mikroben den Nährboden zu entziehen?

Das hängt von der Bakterienspezies und den Umgebungsbedingungen ab. In einer etwas älteren Studie wurde gezeigt, dass die Lebensfähigkeit der Bakterien vom zur Verfügung stehenden Wasser abhängig war. Je mehr Wasser d.h. je feuchter das Holz war, desto länger überlebten die Testkeime darauf.

Testversuch

Staphylococcus aureus Kontamination auf zu einer untersuchenden Oberflächen und die Rückgewinnung mittels Abklatschuntersuchungen.
Aufbringung einer definierten Bakteriensuspension auf einer zu untersuchenden Testfläche sowie die Probeabnahme.

Ergebnis

V0 stammt von einer Probe ohne Zusatz antimikrobieller Substanzen.
Proben V7 und V8 stammen von Holzproben. Die Abklatschuntersuchungen zeigen eine antimikrobielle Wirksamkeit, da das Wachstum der Bakterien im Vergleich zur Kontrolle eindeutig geringer ist.


Antibakterielle Oberflächen

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