Holz, Baustoff der Zukunft

Moritz Bühner ist Senior Consultant der denkstatt GmbH.

Vorher leitete er die Corporate Sustainability in der Egger-Gruppe in St. Johann in Tirol und war zwei Jahre lang Mitglied im Vorstand des Instituts für Bauen und Umwelt (IBU) in Berlin. Im Interview erklärt er uns wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit in der Holzwerkstoffbranche ist und welche Maßnahmen Hersteller ergreifen, um ihre Prozesse und Produkte zu optimieren.

Holz, Baustoff der Zukunft

Inwieweit sind Produktlebenszyklen, Produktionsprozesse und das Recycling von Holz & Holzwerkstoffen nachhaltig?

Es kommt darauf an, wie man Nachhaltigkeit definiert. Es gibt eine allgemein anerkannte Definition der sogenannten Brundtland-Kommission: Die Menschheit bzw. die heutige Generation muss ihre Bedürfnisse so befriedigen, dass auch alle zukünftigen Generationen immer noch die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse so zu befriedigen wie sie wollen. Das heißt im Kern, man muss heute so leben, dass es möglich ist, in Zukunft auch so zu leben. Dann kann man sich die einfache Frage stellen, ob das geht oder nicht. Diese Frage muss anschließend in viele weitere Fragen übersetzt werden. Geht es beispielsweise um eine Einzelperson, um ein Unternehmen oder eine Regierung. Die Nachhaltigkeit ist nur das Konzept und wie man dieses umsetzt, muss dann wieder in den jeweilig passenden Kontext übersetzt bzw. übertragen werden.

Wie unterscheiden sich gute Produkte mit langer Lebensdauer, langem CO2 Speicher von Produkten mit kurzer Lebensdauer und wiederkehrendem Produktionsaufwand?

Eine Strategie, wie man nachhaltiger werden kann, liegt in der Verlängerung der Nutzungsphase eines Produktes. Man versucht durch gute Produktqualität eine möglichst lange Anwendung/Nutzungsdauer zu ermöglichen. Dann müssen in Summe für dieselben Konsum- oder Nutzerbedürfnisse weniger Produkte hergestellt werden. Dies ist eine gute Strategie um den Konsum der gesamten Gesellschaft gerade bei Bau- oder Innenausbauprodukten nachhaltiger zu gestalten. Allerdings muss man hier unterscheiden, ob das Produkt wirklich ausgetauscht wird, weil es die Funktion technisch nicht mehr erfüllt, oder weil es den ästhetischen Ansprüchen nicht mehr genügt, technisch aber problemlos funktioniert. Sozusagen verfolgen zeitloses Design und Nachhaltigkeit dasselbe Ziel: Ein Produkt, welches lange hält und möglichst lange nicht aus der Mode gerät.

Unter diesem Gesichtspunkt sind auch staatliche Modelle zur kurzfristigen steuerlichen Abschreibung von Investitionen (z.B. auch Einrichtung in Hotellerie und Gastronomie) nochmal kritisch zu hinterfragen. Es geht nicht immer um technische Eigenschaften einzelner Produkte, sondern oft um den Gesamtzusammenhang von komplexen Systemen. Dies sind gute Beispiele, für die es leider keine schnellen Antworten gibt.

Was versteht man unter Kreislaufwirtschaft?

Kreislaufwirtschaft ist ein anderes Stichwort neben der Langlebigkeit, mit dem man mehr Nachhaltigkeit anstrebt. Das Ziel dabei ist, möglichst wenig neue Produkte herzustellen und möglichst viele länger zu nutzen oder für eine andere Nutzung weiterzuverwenden oder als Recyclingmaterial in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Das Thema Recycling ist bereits länger bekannt. Die eigentlich größeren Hebel wie eine lange Nutzung, eine zeitweise Umnutzung oder das ausborgen von bereits existierendem Material, sind eher unbekannt, gehören aber genauso zur Kreislaufwirtschaft dazu. Dies bedeutet, erst wenn die Nutzung unmöglich wird, sollte man ein Produkt stofflich verwerten und den Kreislauf schließen. Manchen Branchen und Herstellern gelingt dies besser und manchen schlechter. Allerdings ist die Kreislaufwirtschaft „nur“ ein Konzept und es gibt wenige Produkte, die bereits zu absolut 100% kreislauffähig sind. In den meisten Fällen kann ein gewisser Teil zurückgewonnen werden und ein anderer Teil muss letztendlich verbrannt werden.

Was motiviert Unternehmen dazu auf nachhaltige Kreisläufe zu setzen?

Von vielen Dingen ist bekannt, dass sie theoretisch für die Umwelt besser wären. Oftmals wird dies aber vom Endkonsumenten nicht honoriert und eine Umsetzung zu aktuellen Marktbedingungen lohnt sich nicht. Vielmehr muss immer eine Schnittmenge mit den Umweltgesichtspunkten, der wirtschaftlichen Rentabilität und den aktuellen Marktbedingungen erreicht werden. Gerade in Anbetracht der aktuellen Holzpreise und Verfügbarkeit ist es opportun, jetzt in die Sammlung von Sekundärrohstoffen bzw. Altholz zu investieren. Das ist genau jene Schnittmenge, welche man Schritt für Schritt vergrößern muss, weil es sich wirtschaftlich lohnt und besser für die Umwelt ist.

Welche Produzenten/Hersteller und welche Bereiche forcieren bereits eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft?

In der Holzwerkstoffbranche gelingt die Kreislaufwirtschaft leichter, weil überwiegend Späne (dadurch ein höherer Anteil an Sekundärmaterial) und weniger Vollholz eingesetzt wird. Generell ist Europa ein Kontinent mit großem Wohlstand aber knappen Rohstoffen, in dem viele noch gute Produkte entsorgt werden. Durch die Rückführung von Sekundärrohstoffen in den Kreislauf besteht auch ein politischer und wirtschaftlicher Anreiz, unabhängiger von Importen, Weltmarktschwankungen, Lieferketten und Krisen zu werden. Ein Weg dahin ist es, die Kreislaufwirtschaft zu schließen. Dies wäre aus wirtschaftlicher und europäischer Sicht nicht nur für die Umwelt gut, sondern auch für die generelle Versorgung in Europa. Aktuell gibt es keinen Holzwerkstoffhersteller in Europa, der nicht seine Recyclingquoten steigert. Die gesamte Holzwerkstoffbranche hat es auf der Prozessseite geschafft, die kaskadische Holznutzung in die Realität zu überführen. Wie vielen Herstellern es auch gelingt, dies gut zu kommunizieren, ist eine andere Frage.

Um den Recyclinganteil abzubilden, gibt es verschiedene Bestrebungen von Herstellern, in Richtung volldeklarierter Produkte. Das heißt, es werden in Form von EPDs (Environmental Product Declarations) oder Herstellererklärungen alle verwendeten Inhaltsstoffe, Rohstoffe sowie deren Herkunft aufgelistet und transparent gemacht.

In welchen Zusammenhang stehen die Begriffe Cradle to Cradle und Cradle to Gate in einem Produktionskreislauf?

Die beiden Begriffe sind Bezeichnungen für Systemgrenzen. Cradle to Cradle ist sowohl ein Umweltlabel, als auch eine Philosophie und eine Systemgrenze. Cradle bedeutet dabei die Wiege der Rohstoffe, z.B. der Wald bei Holzprodukten oder das Rohöl bei synthetischen Produkten. Aus dem Rohöl wird über verschiedene Veredelungsschritte ein synthetisches Produkt hergestellt. Nach den einzelnen Herstellungs-, Vertriebs- und Nutzungsphasen stellt sich am Ende der Nutzung die Frage, was mit dem Produkt passieren soll. Geht es Cradle to Grave (Verbrennung oder Deponie) oder Cradle to Cradle, was bedeutet, dass das Produkt nach seiner Nutzungsdauer wieder als Rohstoff für neue Produktionszyklen dient. Die ideale Idee von Cradle to Cradle wäre hier einen Kreislauf zu etablieren – entweder nach dem biologischen Abbau die Verwertung als Nährstoff in der Landwirtschaft, oder nach dem Recycling eine technische Verwertung. Dazwischen gibt es noch Cradle to Gate, wo man bestimmte Umweltkennzahlen von der Wiege der Rohstoffe bis nach der Herstellung/zum Werkstor bilanziert, da es anschließend verschiedene Weiterverarbeitungsschritte gibt, die man dann spezifisch modellieren möchte.

Um das System der Rückführung zu bewerten, gibt es einerseits eine physikalische Sicht, die definiert ob eine Rückführung überhaupt technisch möglich ist. Denn man könnte mit ausreichend Energie und manuellem Aufwand theoretisch jedes Produkt recyceln. Andererseits gibt es auch eine praktische Sicht. Wie sortenrein bekommt man Sekundärrohstoffe zurück? Gibt es eine getrennte Sammlung? Wie groß ist der Aufwand alles in einzelne Bestandteile zu zerlegen? In der Praxis ist dies meistens der größere Hemmschuh als die rein technische Möglichkeit. Denn um einen industriellen Prozess ins Laufen zu bringen, braucht man bereits getrennte, homogene Rohstoffe. Der Endkonsument muss also bereit sein zu trennen. Es muss eine Infrastruktur zur Trennung, Verwertung und Aufbereitung von ungetrennten Abfällen vorhanden sein und alles zusammen muss im Vergleich zu den frischen Rohstoffen auch noch bezahlbar sein.

In welchem Ausmaß ist Recycling nachhaltig?

Dies kann man getrennt zwischen Energie und Material betrachten – beides muss stimmen, wenn es nachhaltig sein soll. Je weiter ich Produkte für das Recycling transportieren muss, je mehr Energie man in die Trennung und Aufbereitung investieren muss, desto mehr CO2 wird wieder frei und desto weniger „wert“ wird im Verhältnis das Recyclingmaterial, mit dem man frisches Material ersetzen möchte. Mit Hilfe der jeweiligen Ökobilanzen kann man sehr gut ausrechnen, welche Alternative besser ist und was die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Wege sind. Ökobilanzen wurden vorher angesprochen, bei der Sichtweise von Cradle to Gate oder Cradle to Grave. Diese Zahlen sind z.B. in EPD‘s enthalten, also tatsächliche Zahlen für Umweltwirkungen und Ressourcennutzungen von Produkten über verschiedene Verarbeitungsstufen hinweg. Rein aus Sicht der Materialeffizienz ist es natürlich immer besser, Produkte zu verwerten, anstelle zu deponieren oder zu verbrennen.

Woher kommt unser Holz und wie sieht es mit der Versorgung von nachhaltigem Holz in Zukunft aus?

In Europa wachsen in den letzten Jahren die Vorräte in den Wäldern stärker als die Nutzung. Global gesehen ist dies leider nicht überall so. In Europas Wäldern steckt noch nutzbares Potential. Man muss natürlich den Wald auch bewahren, an die Artenvielfalt oder an die Erholungsfunktion für die Bevölkerung, denken. Man kann aber davon ausgehen, dass heutzutage in den meisten Teilen Europas die Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden.

Gibt es Gesetze, Normen oder Richtlinien um eine nachhaltige Holzwirtschaft einzufordern?

Auf gesetzlicher Ebene gibt es die europäische Holzhandelsverordnung (European Timber Regulation). Diese zwingt Marktteilnehmer dazu, Holzimporte von außerhalb der EU auf gewisse Punkte der Nachverfolgbarkeit hin zu prüfen. Auf freiwilliger Ebene gibt es die sogenannten Chain of Custody-Systeme wie FSC® und PEFC™. Diese versuchen die Rückverfolgbarkeit über alle Verarbeitungsschritte hinweg herzustellen und mit einem Siegel auf dem Produkt auszuzeichnen. Manche Hersteller gehen noch weiter und legen freiwillig alle Holzherkünfte offen – unabhängig davon, ob es zertifizierte Produkte oder nicht sind.

Mit welchen Anforderungen müssen sich die Hersteller/Produzenten auseinandersetzen und wie wichtig sind dabei Zertifizierungen?

Ein großer Antreiber dieser Trends resultiert aus den Ausschreibungen für öffentliche Gebäude, welche meist eigene Kriterien haben. Diesen Bereich kann man unter dem Begriff „Green Public Procurement“ zusammenfassen. Ein weiterer Treiber ist auch das sogenannte „Green Building“. Wenn z.B. eine Konzernzentrale nach ÖGNI oder DGNB oder LEED zertifiziert wird, gibt es Anforderungen an das Gebäude und an die Bauteile, zum Teil auch spezifisch für Holzwerkstoffe. Letztlich fordert auch der nachhaltig motivierte Endkunde, der sein Gebäude so ausstatten will, dass es ethisch vertretbar ist. Produzenten und Händler müssen definitiv auf den Druck dieser drei Trends reagieren. Ein vierter Trend ist das sogenannte ESG-Thema, „Environmental“, „Social“, „Governance“, bei welchem Akteure auf dem Kapitalmarkt immer mehr Wert auf eine sinnvolle Investition ihres Geldes legen. Die Logik dahinter: Unternehmen, welche sich diesen Anforderungen nicht strukturiert stellen und ihre Nachhaltigkeit verbessern, sind riskanter, wenn man in sie investiert.

Welche Zertifizierungen sind in der Zukunft wichtig?

Als Hilfestellung dient zum Beispiel der www.ecolabelindex. com welcher über 500 Umweltzeichen in seiner Kartei führt. Hier muss zwischen den Geltungsbereichen unterschieden werden. Manche Label gelten für Produkte, andere für Unternehmen, Gebäude oder Finanzprodukte. Auf allen Ebenen gibt es fundierte Siegel mit hohen Ansprüchen und auch eher windige Siegel. Jeder, der nachhaltig einkaufen will, sollte sich auch mit den Kriterien hinter den Siegeln beschäftigen. Bei ambitionierten Siegeln sind Informationen zu Kriterien und Zertifizierungsprozess öffentlich verfügbar. Man sieht was gefordert wird, wie geprüft wird und was durch das Siegel bestätigt wird. Man könnte auch sagen, jedes Siegel ist nur so gut, wie die Kriterien, auf denen es basiert.

Dass ein spezielles Siegel die perfekte nachhaltige Alternative darstellt, ist nicht bekannt. Ein Siegel oder Zertifikat bestätigt immer nur einen bestimmten Aspekt. Ob das dem Verbraucher genügt, muss letztlich jeder selbst entscheiden.

Gibt es noch weitere interessante Fragen, welche den Holzsektor zum Thema Nachhaltigkeit betreffen?

Da gibt es unendlich viele Fragen und Informationen. Interessant sind vor allem Nachhaltigkeitsberichte der großen Hersteller. Diese Unternehmen geben sich sehr viel Mühe, einen guten und umfassenden Bericht zu verfassen, der alle Herausforderungen und Themen abdeckt. Leider sind diese Nachhaltigkeitsberichte immer noch ein unterschätzter Schatz an Informationen. Die Berichte sind im Moment größtenteils noch freiwillig und nur wenige Unternehmen sind zur Erstellung verpflichtet. Auf EU-Ebene ist aber bereits ein Gesetz in Ausarbeitung (Corporate Sustainability Reporting Directive), welches in Zukunft ca. 2.000 Unternehmen in Österreich zur Erstellung eines jährlichen Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtet.

Welches sind die brennenden Fragen mit denen Sie sich derzeit befassen?

Wenn das 1,5° Ziel in Zukunft nicht erreicht wird, wird es im Jahr 2050 ein Klima geben, welches viele Teile der Welt unbewohnbar und unbewirtschaftbar macht. Das ist zwar bekannt und teilweise akzeptiert, in vielen Bereichen rentiert es sich aber noch nicht, dem vorzugreifen und auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Das ist die brennendste Frage! Wie schafft die Gesellschaft es, diese Verantwortung zu übernehmen und eine Lösung vorzubereiten, welche sich aktuell wirtschaftlich noch immer nicht rechnet und den Earth Overshoot-Day (an dem die Ressourcen eines Jahres aufgebraucht sind) immer weiter ans Jahresende zu schieben.

Überwiegt künftig eher die Problematik z.B. der Emissionen im öffentlichen Bereich oder der Wunsch nach nachhaltigem Baustoff Holz?

Das Thema Produktemission ist nicht mehr drängend. Es wird zwar noch so wahrgenommen, aber es gibt einige Experten für Raumluft welche sagen, man sollte sich viel mehr um Schimmel und z.B. Radon Gedanken machen, weil die Gebäude immer dichter werden, nicht genug Luftwechsel stattfindet und die Luftqualität in Innenräumen per se nicht gut ist. Der Beitrag von Holzwerkstoffen ist gar nicht das wesentliche Problem und auch die VOC-Emissionen aus z.B. den OSB Platten sind nicht besonders praxisrelevant. Wenn man den Luftwechsel beherrsche, was man ohnehin tun muss, um Schimmel vorzubeugen, dann sind auch VOC-Emissionen aus Holzwerkstoffen kein Thema mehr.

Wo geht die Reise hin, haben Holzwerkstoffe eine rosige Zukunft vor sich?

Holz ist heutzutage schon kreislauffähig und Holzwerkstoffe weisen bereits jetzt im Vergleich zu vielen anderen Branchen und Produkten gute Quoten im Bereich: Anteil nachwachsender Rohstoffe, Anteil recycelter Rohstoffe, Verwertbarkeit am Ende des Lebenszyklus, usw. auf. Von der Holzwerkstoffindustrie wurden viele Herausforderungen bereits angepackt. Es wurden noch nicht alle Punkte gelöst, aber im Vergleich zu anderen Produkten z.B. den „LVT’s“ (PVC Böden) sind schon viel bessere Zahlen erreicht worden.

Nimmt die Holzwerkstoffbranche dem Planer die Angst vor dem Werkstoff Holz?

Dies muss jeder Planer selbst beurteilen. Es gibt viele Herausforderungen für nachhaltiges Bauen. Nicht alle davon haben mit dem zu tun, was immer diskutiert wird oder was dem Endkunden jetzt schon bekannt ist. Um als gesamte Menschheit die Transformation zur Nachhaltigkeit voranzutreiben, braucht es neben Energieeffizienz und Behaglichkeit auch nachwachsende Rohstoffe, modulares Bauen und regionale Wertschöpfungskreisläufe. Holzwerkstoffe bieten heute schon viele Antworten dazu. Vor allem in puncto Ressourceneinsatz für die Rohstoffherstellung sind schon viele Häkchen für eine potentielle nachhaltige Zukunft gesetzt. Diese Frage umfassend zu beantworten ist sicher eine Wissenschaft für sich. Man darf nicht unterschätzen, was es heißt wirklich „nachhaltig“ zu bauen. Es ist ein sehr hoher Anspruch, dem man gerecht werden möchte.

Oder setzt er Materialien wie Metall, Beton, Glas oder Kunststoff etc. ein und überlässt das Holz den Nischenbereichen?

Dies sind alles Produkte, die in dieser Innenraumluft-Diskussion natürlich sehr gut dastehen, da sie im Prinzip nichts in die Raumluft emittieren. Natürlich brauch es dort auch die Bauchemie, damit bestimmte Lösungen funktionieren. Aber unter vielen anderen Gesichtspunkten schneiden die o.g. Produkte sehr schlecht ab. Zum Beispiel ist schon der Energieeinsatz für die Gewinnung von mineralischen und metallischen Produkten sehr hoch. Es ist bekannt, dass ein Gebäude, in der Form wie es heutzutage konzipiert und gebaut wird, eine Nutzung von ca. 30-40 Jahren hat, weil sich danach die Bedürfnisse ändern oder sich die Mode ändert. Theoretisch würde das Gebäude aber 150 Jahre halten. Dann stellt sich die Frage, ob es unbedingt notwendig ist so aufwendig zu bauen, nur, weil es technisch möglich ist. Das ist ein Wohlstandsphänomen und eigentlich ein gutes Zeichen, dass man sich das leisten kann. Aber es ist leider nicht nachhaltig, wenn jedes Mal die Ressourcen für eine Haltbarkeit von 150 Jahre aufgewendet und dann nach einer halben Nutzergeneration wieder vergeudet werden.

Wie sehen Sie die Entwicklung und Verbreitung von Gebäudezertifizierungssystemen in Europa?

Hier muss man zwischen dem öffentlichen Bauwesen mit den teilweise verpflichtenden Green Building Systemen, wie dem BNB-System bei deutschen Bundesbauten und dem freiwilligen Markt unterscheiden. Es ist tatsächlich so, dass es in Westeuropa im öffentlichen Bereich mehr Anforderungen gibt als in anderen Teilen der Welt. Im freiwilligen Bereich sind Systeme wie das DGNB in Deutschland oder das ÖGNI in Österreich sehr viel weniger verbreitet als z.B. das LEED in den USA. Hier gibt es unterschiedliche Marktdynamiken, was die Anwendung von Gebäudezertifizierungssystemen anbelangt. Ob die Systeme sinnvoll sind hängt eher davon ab, an welcher Stelle der Planung man sich mit Ihnen beschäftigt. Wenn es von Planungsbeginn an mitkonzipiert wird, kann das durchaus sinnvoll sein. Falls man für sein fertig geplantes Gebäude erst kurz vor Schlüsselübergabe das Siegel haben möchte bleibt natürlich nur Bürokratie übrig. Daher rührt auch der Ruf, diese Gebäudezertifizierungssysteme seien sehr papierlastig.

Die denkstatt GmbH ist eine Unternehmensberatung mit Sitz in Wien. Sie wurde 1993 gegründet und beschäftigt in 6 Ländern europaweit 200 Expert*innen, mit dem Anspruch, Lösungen für praktisch alle Fragestellungen im Nachhaltigkeitsbereich zu ergründen.

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