Was macht gesundes Wohnen aus?

Kenngrößen der Behaglichkeit

Die Wissenschaft ist sich einig darüber, dass der Großteil unserer Wahrnehmung unbewusst geschieht. Damit eröffnet sich ein Riesenpotential, das Unbewusste, das Verborgene als Gestaltungsmöglichkeit näher zu betrachten. Was macht das Verborgene aus, was löst das Gefühl von einladend und Wohlfühlen in uns aus? Um dem näher zu kommen, können wir uns überlegen, wie unsere Wahrnehmung eines Raumes abläuft. Was geschieht denn alles, wenn wir einen Raum betreten, welche sind die einzelnen Komponenten, die sich zu einem Raumeindruck zusammenfügen? Und uns im besten Fall das Gefühl vermitteln, dass uns der Raum gefällt, dass er einladend wirkt und wir uns wohlfühlen.

Interview mit Herrn Stefan Gruber

Präsident des Vereins Baubiologie Südtirol

Worauf sollte bei der Ausführung geachtet werden und wer sollte mit einbezogen werden?

Wir beobachten immer wieder wie wichtig das Zusammenspiel der Gewerke auf der Baustelle ist, damit die Ausführung auf der Baustelle reibungslos funktioniert. Dafür müssen alle Beteiligten, und zwar Bauherren, Planer, Baustoffhandel, Baustellenleiter und die ausführenden Handwerker ergebnisorientiert zusammenarbeiten.

Was bedeutet psychologische bzw. visuelle Behaglichkeit?

Sehr oft liegt dem Empfinden von Unbehagen eine nicht geglückte Raumgestaltung zugrunde. Die Behaglichkeit in einem Raum wird von verschiedensten Einflüssen bedingt, die in ihrer Gesamtheit unsere Umgebung kennzeichnen. Bedingt durch physiologische, psychologische, soziologische und ästhetische Einflüsse, die sich zu einer subjektiven Wahrnehmung verdichten, wird dieselbe Umgebung von jedem Menschen anders empfunden und bewertet.

Die Akustik ist eine der bedeutendsten Kenngrößen der Behaglichkeit. Worauf sollen Handwerker und Architekten besonders achten?

Akustische Behaglichkeit lässt sich nur schwer erfassen; dagegen lässt sich die akustische Unbehaglichkeit in einigen Fällen ziemlich genau definieren. Als akustisch unbehaglich empfinden wir jede Art von Lärm, also unerwünschten Schall. Das können z. B. Straßenverkehr, tief fliegende Flugzeuge oder Musik aus einem Nachbarraum sein. Lärm ist nicht nur unangenehm für das Wohlbefinden, sondern kann auch negative Auswirkungen auf Körper und Psyche haben. Aber auch schalltote bzw. stark reflektierende Räume empfinden wir meist als akustisch unbehaglich. Die wichtigste Größe zur Charakterisierung der akustischen Eigenschaften eines Raumes ist seine Nachhallzeit. Sie ist das Maß für die Halligkeit eines Raumes. Maßgebend für die Wahl der richtigen Nachhallzeit ist dabei die jeweilige Nutzung des Raumes. Räume für Musik benötigen eine längere Nachhallzeit als etwa Theater, Schulen oder Sitzungsräume. Die Nachhallzeit für Büros oder Wohnräume sollte beispielsweise zwischen 0,5-0,7 Sekunden liegen.

Was unterscheidet Raum- und Bauakustik voneinander?

Die Raumakustik beschreibt die akustischen Eigenschaften eines Raumes, wenn sich die Schallquelle innerhalb des Raumes befindet. Die Schallabsorption spielt in modernen Büro- und Wohnbereichen eine besondere Rolle. Raumakustik ist ein unsichtbarer Schlüssel zum Wohlbefinden, damit Musik nicht zu Lärm wird und Gespräche nicht zu Geschrei.
Die Bauakustik beschäftigt sich mit der Schallübertragung zwischen den Räumen innerhalb eines Gebäudes beziehungsweise vom Freien ins Rauminnere.
Hier zu Lande wird sehr viel Wärmedämmung jeglicher Art verbaut. Bei der Auswahl der Wärmeverbundsysteme, sollte nicht immer der Isolierwert als Qualitätsfaktor genommen werden. Wir werden durch unsere hektische Welt immer mehr gestresst, aus diesem Grund möchten wir, unser Zuhause ruhig und wenn möglich von lästigen Geräuschen isoliert haben.
Großteil der Baustoffe aus natürlichen Rohstoffen haben diese Eigenschaften.
Darum sind die Auswahl und der richtige Einbau der Materialen bei Gebäuden sehr wichtig.

Welche Faktoren bestimmen die hygienische Behaglichkeit?

Die Zusammensetzung der Raumluft und somit ihrer Qualität bestimmen die hygienische Behaglichkeit. Am einfachsten kontrollierbar ist sie über die gemessene Kohlendioxidkonzentration in einem Raum. Doch auch der in einem Raum herrschende Geruch sagt uns sofort, ob wir uns in einem Raum wohlfühlen oder nicht. Somit ist er subjektiv unterschiedlich, was die Definition nach dem optimalen Geruch in einem Raum schwierig macht. Nichtsdestotrotz gibt es eine Reihe von Stoffen, welche als abstoßend oder negativ empfunden werden. Dazu zählen verschiedene Lösungsmittel, Schweiß, Tabakrauch und mikrobielle Belastungen z.B. durch Schimmelpilze. Aber auch Feinstaub, im Haus produziert durch Ofen und Holzherd, beeinträchtigt die hygienische Behaglichkeit, genauso wie eine durch Verkehr oder falsch befeuerte Heizungsanlagen belastete Außenluft.

Welche Ursachen haben Schimmelbildung und Hausstaub und wie kann man ihnen vorbeugen?

Der Großteil aller Schimmelschäden beruht auf nicht fachgerechtem Nutzerverhalten gepaart mit Besonderheiten der Bausubstanz, wie Wärmebrücken und Baufeuchte. Dem Gebäudestandard entsprechend muss das Haus so genutzt werden, dass es funktioniert. Neubauten sind beispielsweise anders zu nutzen als ungedämmte Altbauten. In beiden Fällen ist richtiges Lüften unabdingbar. Eine kurze Stoß- oder Querlüftung mehrmals am Tag ist die beste Möglichkeit, um Wasserdampf abzuführen. Hausstaub wird intern durch die Verbrennung in Öfen und Holzherden produziert, entsteht aber auch durch z.B. Kerzenrauch. Gewisse Bodenbeläge sind elektrostatisch und ziehen den Staub geradezu magnetisch an. Heutzutage ist die Vermeidung nicht mehr möglich. Regelmäßiges feuchtes Reinigen und der Einsatz eines Schwebstofffilters (HEPA-Filters) im Staubsauger tragen dazu bei, die Hausstaubkonzentration zu senken.

Wie kann die Realisierung einer personalisierten
Behaglichkeit unterstützt werden?

Vorab werden vom Planer die Bedürfnisse der Bauherrn erhoben, um z.B. deren Traumhaus zu verwirklichen. In der Wohnpsychologie gibt es Ansätze, die uns dabei unterstützen, eine individuelle Behaglichkeit zu erreichen. Dabei wird eine Unterscheidung in Wohntypen vorgenommen. Jedem Typus werden dabei besondere Bedürfnisse und Ansprüche in Bezug auf seine Wohlfühlräume zugeschrieben. Daraus entwickeln sich die Positionierung des Gebäudes, seine Orientierung, Grundrissgestaltung, Wahl der Bauweise und der verwendeten Materialien.

Was hat sich aktuell bei der Gesetzgebung bzgl.
Behaglichkeit im Wohnbereich getan?

Landesgesetz vom 05. Dezember 2012, Nr. 2

Bestimmungen zur Lärmbelastung

Dieses Gesetz legt Regeln für den Schutz vor Lärmbelastung der Umwelt und des Wohnbereichs fest, wie vom Gesetz vom 26. Oktober 1995, Nr. 447, „Legge quadro sull’inquinamento acustico” (Rahmengesetz über die Lärmbelastung) vorgesehen; es verfolgt dabei das Ziel, die Lebensqualität zu erhöhen und die menschliche Gesundheit zu schützen. Dieses Gesetz legt Maßnahmen zur Prävention und Verminderung der Lärmbelastung und zur Sanierung von lärmbelasteten Gebieten sowie Kriterien fest, auf deren Basis die Gemeinden ihr Gebiet in Bezug auf die Lärmbelastung klassifizieren.

Landesgesetz vom 24. Dezember 1975, Nr. 55

Bestimmungen auf den Sachgebieten Hygiene und Gesundheitswesen sowie Schulbauten.

Dekret des Präsidenten des Landesausschusses
vom 23. Mai 1977, Nr. 221

Durchführungsverordnung über die Richtlinien auf dem Gebiet der Hygiene und des Gesundheitswesens

Die Bestimmungen tragen wesentlich zur Behaglichkeit im
Wohnbereich bei – sie regeln:
• die Raumhöhen,
• die Mindestflächen der Räume,
• die Belüftung der Räume
• die Mindestfläche von Wohneinheiten
• die Beheizbarkeit der Räume
• die Akustik

D.P.C.M. 5 Dezember 1997

Beschluss über die passiven akustischen Voraussetzungen von Gebäuden

Dieses Dekret regelt die akustischen Voraussetzungen von Lärmquellen im Gebäude und die passiven akustischen Voraussetzungen, um die Lärmbelastung der Nutzer zu reduzieren. Die Lärmquellen sind hier zum Beispiel Aufzüge, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspülmaschinen, Staubsauger, usw.

Welche thermischen Bedingungen müssen gegeben sein, um „wohlbefindliches Raumklima“ zu erreichen?

Der Bereich der thermischen Behaglichkeit ist von Mensch zu Mensch verschieden. Allgemein wird ein Raum als thermisch sehr behaglich beschrieben, wenn folgende Bedingungen gegeben sind: Raumlufttemperatur in Abhängigkeit von seiner Nutzung 19 – 23°C, mittlere Oberflächentemperatur der Außenwände 17 – 25 °C, Fußbodentemperatur 19 – 26 °C, relative Raumluftfeuchte 40 – 55 %. Zudem sollten keine zu großen Luftbewegungen stattfinden (Zugluft). Bereits Luftgeschwindigkeiten von mehr als 10 cm/s werden von sitzenden Personen als unangenehm empfunden. All diese Faktoren spielen eine große Rolle für ein angenehmes, behagliches Wohnklima. Sie sind eng miteinander verknüpft. Eine gute Wärmedämmung alleine muss noch nicht zu einem guten Raumklima führen. Wie schon erwähnt, nehmen wir Luftbewegung in Form von Zugluft wahr. Sie mindert den Wohnkomfort erheblich. Undichte Fenster und Steckdosen werden bei Druckdifferenzen wie z.B. Wind als sehr unangenehm empfunden. Solche undichten Stellen führen dazu, dass Wärme verloren geht, Schall übertragen wird und in Häusern mit hohem Dämmstandard Bauschäden entstehen können. Luftdichtheitstests dienen dazu, undichte Stellen aufzudecken und diese gezielt zu korrigieren. Sie stellen daher eine optimale Qualitätskontrolle dar.

Wie ist es zu erklären, dass trotz guter Hygienebedingungen zumindest in unseren Breiten die Anzahl der Allergien seit einigen Jahren beständig steigt?

Trotz eines hohen Hygienestandards sind die von Unverträglichkeiten und Allergien betroffenen Personen so zahlreich wie nie zuvor. Als ihr Auslöser zählen neben genetischen Faktoren die stark veränderten Lebensbedingungen. Früher wuchsen die Kinder im ländlichen Umfeld auf und kamen auf natürliche Weise mit allerlei Keimen in Kontakt, die ihr Immunsystem forderten. Nun, durch die gestiegene Umweltbelastung ist der Mensch einem Wohn- und Arbeitsumfeld ausgesetzt, welches das Immunsystem auf andere Weise fordert als früher. Die Strahlenbelastung steigt, Lebensmittel werden unreif geerntet, raffiniert, überzüchtet und gentechnisch verändert, mit Insektiziden und Fungiziden behandelt und über weite Strecken transportiert. Unser Körper wird zu einseitig oder zu wenig bewegt, wir steigen ins Auto und verursachen Abgase und Luftverschmutzung, unter der wir alle leiden. Baustoffe, Einrichtung, Farben, Duftkerzen, Reinigungs- und Körperpflegemittel bringen eine Vielzahl an möglicherweise belastenden Emissionen in unser Haus. Kommen weitere Faktoren wie beispielsweise Stress dazu, gelangt der Körper an die Grenze der Belastbarkeit und reagiert. Eine dieser Überreaktionen kann sich in Form einer Unverträglichkeit oder Allergie zeigen.

Kenngrößen der Behaglichkeit

Tipps und Tricks für mehr Behaglichkeit in
Innenräumen:

• saubere Raumluft,
• ideale Feuchtigkeit der Luft (40-55% relative Luftfeuchtigkeit),
• geringe Luftbewegung (keine Zugluft),
• optimale Temperatur der Luft und der Umgebungsflächen,
• strahlungsfreie Installation,
• gute Belichtung,
• ideale Farbgebung,
• biologisch abbaubare Holzlasuren

Durch richtiges Lüften wird die Qualität der Luft verbessert und die Luftfeuchtigkeit reguliert. Für eine optimale Lüftung wird eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung empfohlen. Bei Gebäuden, die sich an einer viel befahrenen Straße befinden und bei Räumen in denen sich viele Menschen aufhalten, ist dies besonders wichtig.  Ist keine Lüftungsanlage vorhanden, muss die Lüftung über die Fenster erfolgen, wobei bestimmte Regeln, wie Stoß- und Querlüften zu beachten sind.

Je nach Nutzung des Raumes variiert die optimale Lufttemperatur. Das Temperaturempfinden ist subjektiv und wird vor allem auch von der Oberflächentemperatur der Umgebungsflächen, der ausgeübten Tätigkeit und der Bekleidung beeinflusst.

Die Elektroinstallation sollte so ausgeführt werden, dass die Strahlung möglichst gering ist. Bei einer schon vorhandenen Anlage kann mit einem Netzfreischalter die Strahlung in den Schlafzimmern beseitigt werden. Zur Vermeidung von Strahlung werden keine schnurlosen Telefone verwendet, Internet über Kabel benutzt und nur strahlungsarme Elektrogeräte gekauft.

Sonnenlicht trägt wesentlich zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden des Menschen bei. Kunstlicht sollte deshalb dem Tageslicht möglichst ähnlich sein. Die Beleuchtung wird in der Menge, der Stärke, der Farbe und Richtung den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Der Sonnenschutz wird so gewählt, dass in den Räumen noch ausreichend Tageslicht ohne Blendung vorhanden ist.

Zählen elektromagnetische Felder auch zur Luftverschmutzung?

Wenn man das Wort „Elektrosmog“ aus dem Englischen übersetzt, hat das Wort „smog“ (Nebel, Rauch) mit Luftverschmutzung zu tun. Elektromagnetische Felder verschmutzen, wenn man so will, auch die Luft, genauer gesagt den Äther (es braucht keine Luft bzw. Materie als Trägermedium). In unserer Landesumweltagentur spiegelt sich dieser Sachverhalt wider. Untersuchungen auf Luftschadstoffe aber auch auf EM Felder, sind beide im „Amt für Physikalische Chemie“ angesiedelt.

Welche sind die häufigsten Schadstoffe in der Raumluft?

• Formaldehyd u.a. zu finden in Holzwerkstoffen wie Span- und OSB-Platten, Möbeln, Bodenbelägen, Bauschäumen, aber auch in Bekleidung, Duftsstäben und Tabakrauch.
• flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (VOC). Es handelt sich um gasförmige Stoffe, welche teilweise schon bei Raumtemperatur ausgasen und die Raumluft belasten. Man findet sie nicht nur in Baustoffen (Lacke, Farben, Klebstoffe, Fugendichtstoffe, Holzwerkstoffplatten…), sondern auch im Rauch von Duftkerzen, in den Abgasen von Öfen, in Naturhölzern, in Bodenbelägen wie Linoleum, Tonermaterial von Kopiergeräten und vielem mehr. Auch Schimmelpilze scheiden gasförmige Stoffwechselprodukte aus, die für empfindliche Personen gesundheitlich belastend sein können.
• Weichmacher als Zusätze zu Lacken, Farben, Beschichtungen, Kabeln, Möbeln, Bodenbelägen, Plastikflaschen und Küchenutensilien, Kinderspielzeug etc., um sie elastischer und weicher zu machen. Weichmacher in Wandfarben werden mit der Zeit besonders im Bereich von Heizkörpern als unschöne schwarze Streifen sichtbar. Der Mensch nimmt sie über die Nahrung und die Luft auf.
• Holzschutzmittel im Häuserbestand. Es handelt sich um giftige Insektizide und Fungizide, welche zum Streichen von Holzpaneelen und Balken verwendet wurden. Heutige Holzschutzmittel sind in der Regel unbedenklich.
• Reinigungsmittel haben einen wachsenden Anteil an der Raumluft, deshalb ist es besonders wichtig darauf zu achten, dass die Inhaltsstoffe den Umweltkriterien entsprechen (z.B. biologisch abbaubar, geruchsneutral…)


Was macht gesundes Wohnen aus?

Kategorie: Pichler Wiki, Wissenswertes